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Zweiradmobilität fördern, nicht verhindern

Die aktuelle Pressemitteilung der Deutschen Verkehrswacht äußert sich negativ zur Option der Leichtkraftnutzung für Führerscheininhaber der Klasse B mit einem Mindestalter von 25 Jahren. Dabei berücksichtigt die Argumentation zentrale Faktoren nicht und zeichnet damit ein einseitig verkürzendes Bild.

Seit dem Jahr 2020 existiert in Deutschland die Option, mit dem Pkw-Führerschein, einem Mindestalter von 25 Jahren und nach einer theoretischen und praktischen Fahrschul-Ausbildung von mindestens 13,5 Stunden Leichtkrafträder bis 125 cm³ und maximal 11 kW Leistung zu fahren. Eine zu jenem Zeitpunkt neue Mobilitätsoption in Deutschland, die in zahlreichen europäischen Nachbarstaaten schon seit vielen Jahren existiert.

 

Wenn genau diese Option, die ganz offensichtlich den Nerv zahlreicher Bürgerinnen und Bürger getroffen hat, nun von einer Verkehrssicherheitsorganisation sehr negativ bewertet und in ihrer Existenz hinterfragt wird, sollte man einen genauen Blick auf deren Argumentation werfen.

 

Denn der reine Hinweis auf absolut steigende Unfallzahlen in den Vergleichszeiträumen lässt völlig außeracht, dass nahezu 300.000 Interessierte in den letzten Jahren diese Führerscheinoption gewählt haben und gerade zu Beginn hohe Zahlen der Fahrschul-Aspiranten für diese Klasse verzeichnet werden konnten. Eine faire Beurteilung der B196-Regelung setzt voraus, dass Unfallzahlen im Verhältnis zur Nutzung betrachtet werden. Ohne diese Differenzierung lassen sich Sicherheitsauswirkungen nicht seriös bewerten.

 

Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass gerade das Vergleichsjahr 2019 in der langjährigen Betrachtung ein Jahr mit außergewöhnlich niedrigen Zweiradunfallzahlen war, was natürlich den Vergleich ebenfalls weniger aussagefähig macht. Der Direktvergleich einzelner Jahre ist für die Gesamtbetrachtung der Situation generell wenig zielführend. Bildet man hingegen für einen 3-Jahreszeitraum mit B196 (2020 bis 2022) und für die vorherigen 3 Jahre ohne B196 (2017-2019) einen Mittelwert, so zeigt sich schon ein anderes Bild. Die Durchschnittswerte bei den getöteten und schwerverletzten Leichtkraftradnutzern in den relevanten Altersgruppen von 25 bis 60 Jahren sind dann nahezu identisch. Das heißt, bei diesen beiden wichtigsten Größen zur Analyse der Verkehrssicherheit gibt es kaum Unterschiede ob mit oder ohne B196.

 

Eine Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zur bundesweiten Gesamtzahl der verunglückten Leichtkraftradnutzer zeigt zwar in der Altersgruppe einen Anstieg der absoluten Zahlen. Allerdings keineswegs extrem, sondern von durchschnittlich 1.678 ohne B196 auf 1.758 mit B196, wieder auf die jeweils drei Jahre betrachtet. Wobei es sich in der überwiegenden Mehrheit um Leichtverletzte handelt. Oft wird bei der Betrachtung der Zahlen auch übersehen, dass es natürlich noch weitere Nutzer von Leichtkrafträdern in der relevanten Altersklasse gibt, die bereits einen 1b oder A1 Führerschein besitzen, also gar nicht unter „B196“ fallen. „B196“ kann statistisch nicht separat betrachtet werden, bei der Unfallaufnahme wird das im Detail nicht erfasst.

 

Darüber hinaus muss dieser geringe Anstieg der Unfallzahlen weiter differenziert werden, denn steigt die Zahl von genutzten Fahrzeugen in einer bestimmten Fahrzeugklasse deutlich an, so müssen die resultierenden Unfallbeteiligungen natürlich auch nicht als absolute Zahlen, sondern in Relation zu diesem Bestandszuwachs betrachtet werden. Folglich hilft hier der Blick auf die Verunglücktenraten, die in den betrachteten Vergleichszeiträumen ohne B196 und 2020 bis 2022 mit B196 unauffällig sind.

 

Effiziente Verkehrssicherheitsarbeit in diesem Kontext sollte sich auf eine gezielte Information genau der entsprechenden Verkehrsteilnehmer ausrichten. Das leistet das Kooperationsprojekt des Bundesverkehrsministeriums und des Industrie-Verbands Motorrad „Motorrad: Aber sicher!“. Mit Druck- und Online-Informationen für genau diese Zielgruppe der B196-Nutzerinnen und -Nutzer steht hier hilfreiches Material zur Verfügung.

 

Sichere Mobilitätsnutzung fördern und nicht Einzeloptionen verbieten muss hier das Ziel in einer Gesellschaft sein, deren Wohlstand nicht zuletzt von einer leistungsfähigen, sondern auch individuellen Mobilität abhängt.

 

Gerade gering motorisierte Zweiräder, wie es Leichtkrafträder sind, benötigen nur wenig Platz im fahrenden und ruhenden Verkehr, entlasten Innenstädte und bieten in ländlichen Räumen Optionen für den Weg zur Ausbildungs- und Arbeitsstätte, die gleichzeitig auch ressourcen- und kostenschonend sind.

 

Nicht umsonst lautet der Titel der B196-Aktion des Projektes „Motorrad: Aber sicher!“ „125er Mobilität / Mit dem Pkw-Führerschein sicher unterwegs“.

 

Sichere Nutzung fördern, statt Mobilität verhindern – Dies sollte unser gemeinsames Ziel sein!