Der von Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach 1885 konstruierte Daimler Reitwagen begründete vor 131 Jahren die motorisierte Mobilität, denn Carl Benz stellte seinen Benz Patent-Motorwagen Nr. 1 einige Monate später vor – beide großen Erfindungen aus Deutschland gingen um die Welt und gelten als Grundstein der Motorrad- und Automobilindustrie.
Trotz dieser sozusagen federführenden Tradition des motorisierten Zweirads im automobilen Deutschland, wird die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Motorradwirtschaft bis heute vielfach unterschätzt. Denn bei der Motorradwirtschaft in Deutschland handelt es sich um eine sogenannte Querschnittsmaterie, die sich aus unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen zusammensetzt – dies gilt nicht nur für einen industriellen Hersteller, der auf einen großen Querschnitt von Zulieferern angewiesen ist, sondern für das gesamte Produkt Motorrad mit seiner Wertschöpfungskette.
Die Motorradwirtschaft in Deutschland ist ein weitläufiges Netzwerk, das seine Wertschöpfung aus Ingenieursleistung, Individualität, Design, Emotion und Lebensstil bezieht und dessen ökonomische Bedeutung in Deutschland nun erstmals dokumentiert ist.“
Reiner Brendicke
Hauptgeschäftsführer Industrie-Verband Motorrad (IVM)
Die 11-Milliarden-Wirtschaft
So generierten die Unternehmen der Motorradwirtschaft im engeren Sinne (ieS) einen Umsatz von 7,3 Mrd. Euro – dazu zählen insbesondere die Herstellung, der Handel und die Reparatur von Motorrädern und Rollern sowie Herstellung und Handel von Motorradteilen und -zubehör. Doch schaut man auf alle Wirtschaftsbranchen, deren Produkte und Dienstleistungen – auch teilweise - ebenfalls vom Motorrad abhängen bzw. profitieren und erweitert den Fokus auf beispielweise Tankstellen, Veranstaltungen, Versicherungen, Tourismus, Verlage, Messen etc., sieht man auf die Motorradwirtschaft im weiteren Sinne (iwS), die einen Gesamtumsatz von 11,6 Mrd. Euro im In- und Ausland generiert – was einer Bruttowertschöpfung der Motorradwirtschaft iwS von 6,6 Mrd. Euro entspricht. Damit befindet sich die durchweg mittelständische Motorradwirtschaft in Deutschland auf einem Vergleichslevel der Bruttowertschöpfung mit den rund 20.000 Apotheken oder der Möbelherstellung in Deutschland.
130.000 Arbeitsplätze
Jeder 400. erwirtschaftete Euro und jeder 330. Arbeitsplatz in Deutschland sind direkt, indirekt oder induziert der Motorradwirtschaft iwS. zuzuschreiben. In den Kernbereichen der deutschen Motorradwirtschaft (ieS) sind direkt knapp 28.600 Personen beschäftigt, der weitaus größte Teil der Beschäftigten entfällt auf den Handel und die Reparatur von Krafträdern. Weitere 22.500 Arbeitsplätze werden über die Verflechtung von Vorleistungsbetrieben im Inland und durch sogenannte Einkommenseffekte in Deutschland durch die Motorradwirtschaft im engeren Sinne geschaffen. Dies ist in seiner Größenordnung vergleichbar mit dem Beschäftigungseffekt der Personenbeförderung in der Luftfahrt. In der erweiterten Definition werden in Deutschland 130.000 Arbeitsplätze durch die Motorradwirtschaft gesichert, was einer Größenordnung der Einwohnerzahl von Ingolstadt oder Regensburg entspricht.
Überdurchschnittliches Exportwachstum
Die rekordverdächtige Zunahme deutscher Gesamtexporte von 11 Prozent in den letzten 3 Jahren wurde von den Exporten der deutschen Motorradbranche deutlich überboten: Um 46 Prozent steigerte die Motorradwirtschaft real ihre Exporte im gleichen Zeitraum. Wurden 2005 noch 980 Mio. Euro durch Exporte der Motorradwirtschaft erlöst, waren es zehn Jahre später bereits über 1,7 Mrd. Euro. Der Anteil der Motorräder, Motorradteile und -ausrüstungen an den bundesdeutschen Gesamtexporten beträgt 0,15 Prozent in 2015. Somit ist jeder 650. Export-Euro auf die Motorradwirtschaft zurückzuführen.
Ressourcen sparen
Die Nutzung eines motorisierten Zweirads erspart in vielen Fällen nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Durch weitaus geringere Parkplatzsuchkosten beispielsweise entsteht jährlich ein Zeitgewinn im Wert von 60,4 Mio. Euro im Vergleich zur PKW-Nutzung. Zusätzlich zum volkswirtschaftlichen Mehrwert entsteht durch die Nutzung von Krafträdern ein Umwelteffekt aufgrund eingesparter Treibhausemissionen in Höhe von 39.343 Tonnen CO2 - Äquivalent pro Jahr.
Durch ein motorisiertes Zweirad ist man nicht nur in der Lage, Geld zu sparen, sondern durch den geringeren Platzbedarf im fließenden und ruhenden Verkehr zusätzlich Zeit zu gewinnen.
Jede 14. Person in Deutschland schätzt das „Erlebnis Motorrad“
Gottlieb Daimler und Wilhelm Maybach gaben im ausgehenden 19. Jahrhundert den Startschuss für die Produktion von Motorrädern. Seither entwickelt sich der Wirtschaftszweig motorisierter Zweiräder äußerst dynamisch. Noch nie war der Bestand an Motorrädern und Rollern so groß wie im vergangenen Jahr. Mehr als 5,9 Millionen Motorräder und Roller befanden sich in deutschem Besitz.
Das Erlebnis, Motorrad und Roller zu fahren, ist für viele Fahrerinnen und Fahrer ein wichtiger Teil ihrer persönlichen Work-Life-Balance, aber auch ein unverzichtbarer Aspekt ressourcenschonender individueller Mobilität. Oder, um es mit den Worten des britischen Filmschauspielers Jeremy Irons zum Thema Freiheit zu sagen: „Dafür ist das Motorradfahren wunderbar geeignet. Das ist mir im Zweifelsfall sogar lieber als die Schauspielerei. Denn damit ist auch ein enormes Freiheitsgefühl verbunden. Bei der Arbeit muss ich mich nach festem Terminplan richten. Wenn ich am Flughafen von Heathrow ankomme, dann hole ich mir mein Motorrad.“