Motorradsicherheit virtuell diskutiert
Aus der Taufe gehoben wurde die Internationale Motorradkonferenz des ifz 1991 in Bochum. Bereits sechs Jahre später galt sie während der ersten INTERMOT 1998 als das Symposium der weltweiten Motorradsicherheitsforschung und begleitete die zweijährig stattfindende Welt-Premierenmesse INTERMOT kontinuierlich.
Teilnehmer verzwanzigfacht
Noch 2018 reisten rund 150 Teilnehmer aus 23 Nationen zur Konferenz im Vorfeld der INTERMOT nach Köln, bevor 2020 die anhaltende Covid-19-Pandemie die Koordinaten der Weltleitmesse wie auch der Internationalen Motorradkonferenz des ifz verschob. Doch der Teilnehmerzahl, wie auch der Internationalisierung dieser einzigartigen Weltkonferenz, tat der Schritt in den virtuellen Konferenzraum keinerlei Abbruch – im Gegenteil: Über 3.700 Teilnehmer aus über 90 Nationen sprechen eine deutliche Sprache.
Das weite Feld Zweiradsicherheit
Die 13. Internationale Motorradsicherheitskonferenz begann Anfang September als erste virtuelle Konferenz des ifz. Unterstützt von der Motorcycle Safety Foundation (MSF) aus den USA, der europäischen Association des Constructeurs Européen de Motocycles (ACEM), dem deutschen Industrie-Verband Motorrad (IVM) sowie dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) wurde das breite Themenspektrum auch diesmal das Markenzeichen der Konferenz, die auf dem Weg des internationalen wissenschaftlichen Expertenaustauschs zur Erhöhung der Zweiradsicherheit beitragen will.
Schräges Thema
Geht es etwa um den Themenkomplex „Fahrer“, so ist unter anderem das Thema Schräglage von Bedeutung. Wo liegen hier die Grenzen im Fahralltag und lassen sie sich durch Training beeinflussen? Um die eigenen fahrerischen Grenzen reflektieren zu können, wird auch die Möglichkeit der Schräglagenmessung via Smartphone untersucht.
Zudem sind das Optimieren von Motorradbekleidung sowie des Einsatzes von Fahrer-Airbags Teil des Programms. Einen ebenso aktuellen wie wichtigen Themenschwerpunkt bilden auch die vielfältigen Analysen von Fahrer-Assistenzsystemen. Unter anderem spielen Einstellungen und Kenntnisstand der Fahrer mit Blick auf die Systeme eine Rolle, ebenso Fahrerreaktionen auf automatische Notbremsmanöver. Vorgehensweisen, wie Fahrer haptisch und visuell auf Gefahren aufmerksam gemacht werden können, werden ebenfalls analysiert.
Erkenntnisaustausch fördert Sicherheit
Weitere Studien untersuchen Motorradunfälle, insbesondere unter Berücksichtigung von Assistenzsystemen. Nicht zuletzt werden Unfallanalysen zu neuen Inhalten von Motorradtrainings in Beziehung gesetzt. Und natürlich findet auch das Thema Elektromobilität seinen Platz, beispielsweise wenn es um die Crash-Sicherheit der leistungsstarken Batterien geht. „Motorradsicherheit wird nicht nur täglich auf unseren Straßen gelebt, sie wächst auch kontinuierlich durch den Austausch neuer Erkenntnisse rund um den Globus“, untermauert Matthias Haasper, Forschungsleiter des ifz, dieses internationale Event. „Jeder konnte und kann nach wie vor Fragen zu den Beiträgen einsenden, die von den Autoren im Rahmen der Konferenz beantwortet werden!“, resümiert Haasper das Konferenzgeschehen und weist auf die frei zugänglichen Beiträge der Konferenz sowie den Online-Auftritt unter www.ifz.de hin.
Spannender Lifestream
Der 119-minütige Livestream auf YouTube war ein prominent besetzter Round Table zum Abschluss der 13. Internationalen Motorradkonferenz des ifz. Teilgenommen haben Antonio Perlot und Dr. Veneta Vassileva von ACEM, Dr. Nhan Tran von der Weltgesundheitsorganisation WHO der vereinten Nationen, Edwin Bastiaensen vom Weltverband der Motorradhersteller IMMA und Jesper Christensen vom Motoradsport-Weltverband FIM.
Dr. Nhan Tran von der WHO setzte mit seinen Ausführungen der „Ziele für nachhaltige Entwicklungen“ der Vereinten Nationen deutliche Zeichen. In Bezug auf nachhaltige Mobilität geht es ihm nicht nur um Sicherheitsaspekte, sondern auch um die Umweltbelastungen. Ziel ist ein effizientes Mobilitätssystem, das den Menschen ihre Bewegungsfreiheit lässt, ohne Gefährdung der Umwelt. Eine Veränderung der Aufteilung von Beförderungsmitteln ist dabei ein zentraler Bestandteil der Gestaltung zukünftiger Mobilität, denn nach Dr. Trans Meinung ist die Motorradnutzung ein integraler Bestandteil der Mobilitätsnutzung: „Die Zukunft ist multimodal, auch weil Autos ihre Dominanz verlieren. Mikromobilität und verstärkte Nutzung von motorisierten Zweirädern können im urbanen Raum die Lebensqualität steigern, außerdem ergeben sich ökologische Vorteile.“
Jesper Christensen von der FIM ergänzt diesen Ansatz der WHO, seiner Meinung nach hat Covid-19 die Wahrnehmung dessen, was Sicherheit ist, verändert: „Wer hätte erwartet, dass Motorräder jetzt als sicheres Transportmittel angesehen werden, zumindest in Bezug auf das Virus? Große Städte erweitern bereits den kostenfreien Parkraum für Zweiräder. Der durch die Pandemie bewirkte Digitalisierungsschub wird auch die Vorbehalte von Motorradfahrern gegenüber digitaler Technik und elektronischen Systemen in Motorrädern verringern.“
Den spannenden, zweistündigen Livestream fasste Antonio Perlot von ACEM zusammen. Dabei nannte er Dr. Nhan Trans Beitrag eine Ermutigung, um sicherzustellen, dass Motorräder Teil einer zukünftigen nachhaltigen Mobilität sind, dass sie eine Antwort auf die Herausforderungen auf den verschiedenen politischen Ebenen bieten. Dazu gehöre auch, die Vorteile der Zweiräder zu kommunizieren: „Dafür stehen einige Instrumente zur Verfügung, angefangen von technologischen Lösungen über die Förderung des Sicherheitsbewusstseins bei Motorradfahrern und das Angebot an hochwertigen Sicherheitstrainings. Damit wollen wir Motorräder auf der politischen Ebene so positionieren, dass sie in die Sicherheits- und Mobilitätsstrukturen integriert werden.“
Die Antwort auf die rhetorische Frage, wie Motorradfahren und Motorräder beschaffen sein werden vor dem Horizont 2030 und darüber hinaus, sieht Antonio Perlot bei den Herstellern: „Die Unternehmen werden ihre Antworten darauf parat haben, aber auch von diesem Austausch hier lassen sich viele Denkanstöße mitnehmen.“